November 2023: ein Hämatom der Milz- Fallbericht

Normalerweise wird hier über Krankheitsbilder berichtet, aufgrund des ungewöhnlichen Verlaufs soll hier ein besonderer Patient im Vordergrund stehen. Carlos * (Name geändert) wurde ohne Termin als Notfall vorgestellt. Er ist zusammengebrochen, wenn er aufsteht, schwankt er nach links und legt sich sofort wieder hin. Diese Symptome sind plötzlich aufgetreten. Bei der Untersuchung war er gut ansprechbar, hatte jedoch blasse- kalte Schleimhäute. Die restliche Untersuchung zeigte keine besonderen Befunde. Eine Blutuntersuchung ergab eine leichte Anämie (zu wenig rote Blutkörperchen). Es wurde ein Venenzugang gelegt und eine recht hohe Menge an Infusionslösung verabreicht. Darunter besserte sich sein Allgemeinbefinden. Da immer noch nicht die Ursache für den Zusammenbruch gefunden wurde, wurde der Hund am nächsten Tag zum Herzultraschall einbestellt.

Am nächsten Tag ging es Carlos deutlich schlechter. Die Ultraschalluntersuchung zeigte, dass das Herz vollkommen normal arbeitete. Allerdings war ein Volumenmangel zu sehen und freie Flüssigkeit im Bauchraum. Daraufhin haben wir uns den Bauch nochmal angesehen, der deutlich voller als am Tag davor wirkte. Im Ultraschall war eine Masse zu sehen, die wahrscheinlich der Milz zu zuordnen war. Nun folgten sehr ausführliche Gespräche mit den Besitzern. Bei einem alten Hund mit Blutungen im Bauchraum ist der Verdacht eines Milztumors gegeben. Diese sind in der Regel stark bösartig und können mal platzen und so zu starken Blutungen führen. Selbst wenn man den Patienten durch eine Operation stabilisieren kann, liegt doch die Überlebenszeit mit so einem Tumor bei wenigen Wochen. Dies muss für das weitere Vorgehen berücksichtigt werden. Ebenso, dass es sich um einen wirklichen Hunderentner von 14 Jahren handelt. Ohne Operation würde Carlos sterben. Allerdings wäre es fraglich, ob Carlos die OP generell überstehen würde, denn er befindet sich nun in einem wirklich schlechten Zustand.

Auch wenn das Thema nicht sehr beliebt ist, muss auch der finanzielle Aspekt berücksichtigt werden. Denn auch wenn Carlos in der Operation versterben sollte, sind ja Kosten für Material und Leistungen angefallen, die auch bezahlt werden müssen.

Viel Zeit für ausführliche Diskussionen blieb uns nicht, obwohl die Besitzer sehr deutlich über alle Risiken aufgeklärt wurden. Sie entschieden sich für eine Operation, denn nur so konnten wir der Ursache auf den Grund gehen. Carlos bekam seine Narkose und wurde zügig für die Operation vorbereitet. Im Bauchraum fanden wir sehr viel Blut. Im vorderen Bauchraum war eine Masse, die sehr porös war und aus der es blutete. Diese Masse hing an der Milz. Leber, Bauchfell und Bauchfett sahen unauffällig aus. Nun wurde die Milz mit der daran hängenden Masse entfernt. Da der Hund schon viel Blut verloren hatte und auch nun der „Blutspeicher“ Milz entfernt wurde, bekam er eine Dauerinfusion.

Die Milz wurde verpackt und zur Pathologie gesendet. Nur der Pathologe kann unter dem Mikroskop unterscheiden, ob es sich um einen bösartigen Milztumor mit schlechter Prognose oder um ein Milzhämatom mit sehr guter Prognose handelt.

Nach der geglückten Operation waren die Schleimhäute weiß. Bei gesunden Hunden sollten diese blassrosa sein. Nun wurde eine erneute Kontrolle der Blutwerte vorgenommen. Die Werte der roten Blutkörperchen waren lebensbedrohlich abgesunken. Was nun? Meine Mitarbeiterin bot sich an, ihren Hund zu holen, um eine Bluttransfusion durchzuführen. Wir haben keine Möglichkeiten Blutgruppen vor Ort beim Hund zu bestimmen und die Zeit abzuwarten, bis Ergebnisse aus dem externen Labor da sind, hatten wir auch nicht. Weiterhin fehlte es an Transfusionsmaterial. Normalerweise kommt das Spenderblut in einen Beutel, in dem gerinnungshemmende Substanzen sind. Schließlich darf das Blut nicht verklumpen. Allerdings gibt es einen Trick. Der Körper bildet nach Fremdkontakt Antikörper, die dann weitere Fremdkontakte blockieren. Das heißt, dass die erste Bluttransfusion unabhängig von der Blutgruppe stattfinden kann. Also fragten wir beim Besitzer nach, ob es bekannt ist, ob Carlos schon einmal eine Bluttransfusion erhalten habe. Da er dies verneinte, haben wir dem Mitarbeiterhund einen Venenzugang gelegt und Blut in Untersuchungsröhrchen tropfen lassen. Diese hatten den gleichen gerinnungshemmenden Stoff dabei wie die Beutel. Da diese aber nur 2 ml fassten, mussten wir einige Röhrchen füllen.

120 Röhrchen, Futter und Pausen für den Spenderhund später, konnten wir das Blut wieder in die Infusionsflasche füllen und Carlos wieder verabreichen. Er zeigte prompt eine allergische Reaktion, die wir aber beherrschen konnten.

Am nächsten Tag wurde er zur Kontrolle vorgestellt und die roten Blutkörperchen waren gestiegen. Natürlich waren sie immer noch niedrig, aber eben nicht mehr lebensbedrohlich niedrig. Carlos ging es besser und er fing auch schon wieder an zu fressen.

Nach 10 Tagen kam ein fitter Carlos in die Praxis gelaufen. Die roten Blutkörperchen waren fast normal und es geht ihm blendend. Das Beste aber war die Diagnose des Pathologen. Es handelt sich um ein Milzhämatom. Das kann man sich als Bluterguss der Milz vorstellen. Ursache dafür können Unfälle oder andere Traumen sein. Manchmal kann man auch keine Ursache dafür finden. Auf jeden Fall ist die Prognose sehr gut und hat keinen Einfluss auf die restliche Lebenserwartung.

Unser Team war mit dem Hund mehrere Stunden non-stopp beschäftig und sind ungewöhnliche Wege gegangen. Das ging aber nur, weil wir sehr besorgte Besitzer hatten, die uns dabei begleitet haben, obwohl sie um alle Risiken wussten. Ich möchte mich bei meinem Superteam bedanken. Es stand immer Carlos im Fokus und es wurde nicht einmal nach der Uhr geschaut, ob Pause oder Feierabend ist. Es ist auch nicht selbstverständlich seinen Hund als Spenderhund zur Verfügung zu stellen. Weiterhin möchte ich mich ebenfalls für das Vertrauen der Besitzer bedanken. Es wurden alle Risiken angesprochen und es gab einige Punkte, die durchaus auch schlecht ausgehen hätte können. Trotzdem gab es kein Hadern oder Zögern sondern nur uneingeschränktes Vertrauen. Vielen Dank dafür!